07.02.2012
MilitärtechnologieForscher warnen vor Waffen mit Gedankensteuerung
Von Markus Becker
Wer sich nicht selbst ausmalen kann, welche Technologien die
Neurowissenschaften eines Tages hervorbringen könnte, muss nur eine
Videothek besuchen. Schon 1982 steuerte Clint Eastwood im Actionfilm
"Firefox" ein russisches Hightech-Kampfflugzeug mit Gedankenkraft. Auch
in der "Matrix"-Trilogie ging es darum, wie man allein mit Hirnströmen
ein fernes Abbild seines Selbst steuern kann. Hollywood-Regisseur James
Cameron trieb das Motiv des gedankengelenkten Ersatzkörpers in "Avatar"
2009 filmtechnisch auf seinen vorläufigen Höhepunkt.
Die Leinwand-Phantasien haben einen sehr realen Hintergrund. Militärs
versuchen seit Jahrzehnten, Erkenntnisse aus der Hirnforschung für
kriegerische Zwecke einzusetzen. Die Pentagon-Forschungsabteilung Darpa
etwa finanziert derartige Projekte spätestens seit Anfang der siebziger
Jahre. Jetzt warnt Großbritanniens altehrwürdige Royal Society vor den
Folgen: Zahlreiche Technologien aus der Hirnforschung könnten
militärisch eingesetzt werden - und Wissenschaftler seien sich nur
selten darüber im Klaren.
"Die Neurowissenschaft kann der Gesellschaft großen Nutzen bringen",
sagte Rod Flower, Professor für biochemische Pharmakologie an der
Londoner Queen Mary University und Leiter der Arbeitsgruppe der Royal
Society. Forscher kämen effektiven Therapien für Leiden wie Parkinson,
Depressionen, Schizophrenie, Epilepsie und Suchterkrankungen täglich
näher. Aber das Verständnis von Gehirn und menschlichem Verhalten
könnte, verbunden mit Entwicklungen in der Medikamentenforschung, auch
die Herabsetzung der menschlichen Leistungsfähigkeit bewirken - "und
möglicherweise in neuen Waffen verwendet werden", warnt Flower.
Vom Roboterarm zum Kampfjet?
In dem Bericht ist etwa davon die Rede, dass "in nicht zu ferner Zukunft" Drohnen oder andere Waffensysteme mit Gedanken gesteuert werden könnten. In den vergangenen Jahren sind Neuroforschern spektakuläre Erfolge gelungen. So ist es inzwischen möglich, Bilder aus Hirnsignalen zu destillieren; das Gleiche ist vor kurzem auch mit Geräuschen gelungen. Menschen können mit Hilfe von Computer-Hirn-Schnittstellen (Computer Brain Interfaces, kurz BCI) Roboterarme bewegen, wie von Geisterhand Texte auf Bildschirmen erscheinen lassen und sogar mit Gedankenkraft flippern.
Forschung dieser Art wurde immer wieder auch von Verteidigungsministerien oder Rüstungskonzernen zumindest mitfinanziert:
Die Royal Society warnt zudem vor Chemikalien, die das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit von Menschen beeinflussen könnten - sowohl positiv als auch negativ. Das aber dürfte immer nachteilige Wirkungen haben, wie die britischen Forscher betonen: Nach derzeitigem Kenntnisstand sei es auf absehbare Zeit unmöglich, Menschen mit einer Chemikalie außer Gefecht zu setzen, ohne dabei gesundheitliche Schäden zu riskieren.
Solche Entwicklungen zögen Unmengen an ethischen Fragen nach sich, erklärte Flower. In vielen Fällen seien diese noch nicht durch internationales Recht geregelt. Regierungen müssten die Forschung transparent halten. Wissenschaftler sollten sich stets im Klaren sein, dass ihre Forschung sowohl zur Heilung als auch zum Schaden eingesetzt werden könnte.
Wunsch nach "automatischem Soldaten"
An dem Bericht haben Neurowissenschaftler, Experten für internationale Sicherheit, Psychologen und Ethiker mitgearbeitet. Ihre Schlussfolgerungen aber werden offenbar nicht von allen Fachleuten geteilt. So heißt es in dem Report, dass das menschliche Gehirn Bilder, beispielsweise von Zielen, viel schneller verarbeiten könne, als dem Menschen bewusst werde: "Deshalb könnten Waffen mit neuronalen Schnittstellen in Sachen Geschwindigkeit und Präzision bedeutende Vorteile gegenüber anderen Steuerungsmethoden bieten."
Niels Birbaumer von der Universität Tübingen, einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Computer-Hirn-Schnittstellen, gibt sich skeptischer. "Bis das Gehirn einen Reiz verarbeitet hat, vergehen 50 bis 100 Millisekunden", erklärt Birbaumer. "Bis es eine komplizierte Reaktion eingeleitet hat, sind es 300 Millisekunden. Jeder Computer ist viel schneller."
Birbaumer sieht beim Militär den Wunsch nach dem "automatischen
Soldaten" - egal, ob es sich dabei um einen per BCI oder Chemikalien
beeinflussten Menschen handele, um eine fliegende Drohne oder einen per
Gedankenkraft ferngesteuerten Roboter. Ob diese Vision aber jemals
Realität wird, bezweifelt der Wissenschaftler. Das Problem sei die
geringe Auflösung von Computer-Hirn-Schnittstellen. Wenn die Elektroden
nicht direkt im Hirn stecken, sind die Ströme der Neuronen nur sehr grob
messbar. "Es reicht derzeit gerade einmal dafür, einen Roboterarm ein
Glas greifen zu lassen", sagt Birbaumer. "Aber für schnellere und
spezifischere Reaktionen genügt das bei weitem nicht."
In dem Report der Royal Society wird beispielsweise eine Studie
zitiert, in der US-Forscher Strom mit geringer Stärke auf die Gehirne
von Probanden einwirken ließen. Die Teilnehmer seien anschließend in der
Lage gewesen, Sprengfallen, Scharfschützen und andere versteckte
Bedrohungen wesentlich besser zu entdecken als zuvor.
Doch auch hier mahnt Birbaumer zur Vorsicht. Offen sei etwa, wie lange der Effekt anhalte. Bei ähnlichen Experimenten sei auch schon beobachtet worden, dass sich die Wirkung nach längerer Zeit sogar ins Gegenteil verkehren könnte. Dass die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft auch von Militärs verwendet werden, überrascht ihn nicht. "Alles, was funktioniert, wird auch militärisch eingesetzt", sagt Birbaumer. "Das war schon immer so. Wer sich das nicht klarmacht, ist blauäugig."
Vom Roboterarm zum Kampfjet?
In dem Bericht ist etwa davon die Rede, dass "in nicht zu ferner Zukunft" Drohnen oder andere Waffensysteme mit Gedanken gesteuert werden könnten. In den vergangenen Jahren sind Neuroforschern spektakuläre Erfolge gelungen. So ist es inzwischen möglich, Bilder aus Hirnsignalen zu destillieren; das Gleiche ist vor kurzem auch mit Geräuschen gelungen. Menschen können mit Hilfe von Computer-Hirn-Schnittstellen (Computer Brain Interfaces, kurz BCI) Roboterarme bewegen, wie von Geisterhand Texte auf Bildschirmen erscheinen lassen und sogar mit Gedankenkraft flippern.
Forschung dieser Art wurde immer wieder auch von Verteidigungsministerien oder Rüstungskonzernen zumindest mitfinanziert:
- Ein Team von Miguel Nicolelis von der Duke University in Durham (US-Bundesstaat North Carolina) hat bereits mehrfach im Auftrag des Pentagon gearbeitet. 2007 etwa hat sich Nicolelis' Team ein System patentieren lassen, das sich explizit auch zur Gedankensteuerung von Waffen eignen soll.
- Im Sommer 2008 hat die US-Armee vier Millionen Dollar an die University of California in Irvine ausgelobt, um die "synthetische Telepathie" zu erforschen. Zwar könne die Technologie auch Gelähmten helfen, hieß es. Doch im Vordergrund stand die Möglichkeit, Soldaten auf dem Schlachtfeld per BCI direkt von Hirn zu Hirn kommunizieren zu lassen.
- Im gleichen Jahr haben die US-Streitkräfte ein Projekt zum Entziffern von Gedanken im menschlichen Gehirn unterstützt.
- Ebenfalls im Sommer 2008 wurde bekannt, dass der US-Konzern Northrop Grumman an Ferngläsern arbeitet, die fortschrittliche Optik mit Hirnströmen kombiniert, um anhand unterbewusster Signale blitzschnelle Reaktionen zu ermöglichen.
Die Royal Society warnt zudem vor Chemikalien, die das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit von Menschen beeinflussen könnten - sowohl positiv als auch negativ. Das aber dürfte immer nachteilige Wirkungen haben, wie die britischen Forscher betonen: Nach derzeitigem Kenntnisstand sei es auf absehbare Zeit unmöglich, Menschen mit einer Chemikalie außer Gefecht zu setzen, ohne dabei gesundheitliche Schäden zu riskieren.
Solche Entwicklungen zögen Unmengen an ethischen Fragen nach sich, erklärte Flower. In vielen Fällen seien diese noch nicht durch internationales Recht geregelt. Regierungen müssten die Forschung transparent halten. Wissenschaftler sollten sich stets im Klaren sein, dass ihre Forschung sowohl zur Heilung als auch zum Schaden eingesetzt werden könnte.
Wunsch nach "automatischem Soldaten"
An dem Bericht haben Neurowissenschaftler, Experten für internationale Sicherheit, Psychologen und Ethiker mitgearbeitet. Ihre Schlussfolgerungen aber werden offenbar nicht von allen Fachleuten geteilt. So heißt es in dem Report, dass das menschliche Gehirn Bilder, beispielsweise von Zielen, viel schneller verarbeiten könne, als dem Menschen bewusst werde: "Deshalb könnten Waffen mit neuronalen Schnittstellen in Sachen Geschwindigkeit und Präzision bedeutende Vorteile gegenüber anderen Steuerungsmethoden bieten."
Niels Birbaumer von der Universität Tübingen, einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Computer-Hirn-Schnittstellen, gibt sich skeptischer. "Bis das Gehirn einen Reiz verarbeitet hat, vergehen 50 bis 100 Millisekunden", erklärt Birbaumer. "Bis es eine komplizierte Reaktion eingeleitet hat, sind es 300 Millisekunden. Jeder Computer ist viel schneller."
Doch auch hier mahnt Birbaumer zur Vorsicht. Offen sei etwa, wie lange der Effekt anhalte. Bei ähnlichen Experimenten sei auch schon beobachtet worden, dass sich die Wirkung nach längerer Zeit sogar ins Gegenteil verkehren könnte. Dass die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft auch von Militärs verwendet werden, überrascht ihn nicht. "Alles, was funktioniert, wird auch militärisch eingesetzt", sagt Birbaumer. "Das war schon immer so. Wer sich das nicht klarmacht, ist blauäugig."
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