Eine besondere Bedeutung hat gegenwärtig wieder - vor allem in den Kreisen des fanatisierten islamischen Fundamentalismus - der Dschihad bekommen. Er wird bei uns - nicht richtig übersetzt - als heiliger Krieg des Islams bezeichnet. Dadurch entstehen Missverständnisse, die zu unnötigen Gehässigkeiten führen. Aufbauend auf dem Dschihad wird behauptet, dass der Islam absolut auf kriegerische Expansion bedacht und deshalb stets eine besondere Gefahr sei. Diese Darstellung ist falsch, was aber nicht heißt, dass das Problem verharmlost werden sollte.
Dschihad bedeutet individueller Einsatz. Es ist das Bemühen, „für Gottes Sache unter Einsatz von Gut und Leben“ tätig zu sein. Dieses „sich Bemühen“ gilt immer für den einzelnen Muslim, nicht etwa für eine Institution wie z.B. für den Staat.
Dschihad kann in lobenswerten friedlichen Unternehmen zur Geltung kommen, erst recht aber im Krieg. Es gilt als verdienstvoll, wenn man bei dem Einsatz dabei sterben muss. Die Angehörigen können dann stolz sein, einen Märtyrer in der Familie zu haben, denn diesen Gefallenen erwartet das Paradies. Er wird dann seine Familienangehörigen nachholen. In diesem Sinne äußerte sich auch der fanatische Hisbollah-Generalsekretär Scheich Hassan Nasrallah über den Tod seines Sohnes Hadi in einem Gespräch mit dem „Spiegel“:
Hadi wird uns ganz sicher zu sich ins Paradies holen, allen Märtyrerfamilien wird diese Freude zuteil werden... Ich danke Gott, dass er die Güte hatte mich zum Mitglied einer Märtyrerfamilie zu machen.
Einzelne islamische Führer können zum Dschihad aufrufen, und viele sind bereit, ihnen zu folgen.
Letztlich gibt es sehr unterschiedliche Auslegungen der Gelehrten über die Rolle des Dschihad: Im allgemeinen geht man davon aus, dass nur bei extremer Gefahr die Pflicht besteht sich am Dschihad zu beteiligen, sonst gilt die Teilnahme als frei- willig. Eine Haltung, die wir z.B. in den terroristischen Anschlägen von Fundamentalisten erkennen können. 23 In der Scharia – in der islamischen Rechtsprechung - besteht eben keine eindeu- tige Auslegung, und es hat in der Geschichte die unterschiedlichsten Meinungen zur Frage des Dschihad gegeben, wie überhaupt zu Krieg und Frieden. Vor dem Hinter- grund der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme ist ein verstärktes ag- gressiv-fundamentalistisches Verhalten bei Teilen der mohammedanischen Bevölke- rung festzustellen. Das ist uns besonders aufgefallen, als wir vor einigen Jahren in Indonesien waren und wo vorher ein recht toleranter Islamglaube vertreten wurde.
Wir sollten uns bewusst machen: Der Koran kennt offiziell keine Zwangsbekehrung und hat auch auf Toleranz ausgerichtete Stellen. So heißt es in der Sure 2:
„(257) Zwingt keinen zum Glauben, da die wahre Lehre vom Irrglauben ja deutlich zu unterscheiden ist. Wer Tagut ver- wirft und an Allah glaubt, ergreift eine Stütze die nie zerbricht. Er allein hört al- les und weiß alles.“
Und die 109. Sure lautet:
(1) Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen. (2) Sprich: „O Ungläubige, (3) ich verehre nicht das, was ihr verehrt, (4) und ihr verehrt nicht, was ich verehre, (5) und ich werde auch nie das verehren, was ihr verehrt, (6) und ihr wollt nie das verehren, was ich verehre. (7) Ihr habt eure Religion, und ich die meine.“
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