Samstag, 3. März 2012

Ritalin - die Massendroge



03.03.2012  
Weil der Stress im System schon bei Kindern zunimmt, greifen immer mehr Menschen zu Ritalin. Bei Studenten gilt die Droge als Wundermittel für guten Noten. Ritalin ist längst zu einer Volksdroge geworden: Sie formt erfolgreich einsetzbare, emotional verarmte und jederzeit zuschaltbare  „Arbeitsbienen“ mit unvollständiger Persönlichkeitsentwicklung.

 
von Rolf Ehlers

Zwei Gruppen von Verbrauchern bescheren  dem Pharmakonzern Novartis, der mit der alten Schweizer Firma Ciba auch die Rechte an dem dort entdeckten Altmedikament Ritalin® übernahm,  Jahr für Jahr wachsende Gewinne.  Als Ciba 2008 auf die BASF überging, blieb der Gewinnbringer Ritalin bei Novartis.
Konsumenten sind zum einen  die Kinder mit schweren Konzentrationsmängeln.  Die Medizin spricht von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADS-/ADHS).  Schon ein einziges konzentrationsunfähiges und hyperaktives Kind kann die Lehr- und Lernbemühungen von Lehrern und Schülern einer ganzen Klasse zur Farce werden lassen.  Der Druck von außen auf das Kind und seine Eltern, das tatsächlich ruhig stellende Ritalin zum Einsatz zu bringen, ist daher verständlicherweise sehr stark.
Es wurde schon von Fällen berichtet, dass  Eltern, die den Einsatz dieses Medikaments ablehnten, wegen Uneinsichtigkeit mit der Entziehung des Sorgerechts gedroht wurde. Von Gymnasien in Süddeutschland hört man aus Schülerkreisen, dass annähernd jedes zweite Kind immer wieder mal diese Pille einwirft. Denn die Schüler haben mitbekommen, dass sie  damit nicht nur ruhig und konzentriert arbeiten können, sondern dass sie den schulischen Anforderungen viel besser gerecht werden. Die Noten werden besser, es ist auf einmal kein Problem mehr, das Klassenziel zu erreichen.  Kann man den Eltern und Lehrern verdenken, dass sie auf diese Weise ihren Kindern aus ihrer Unfähigkeit zum konsequenten Arbeiten heraushelfen?

Man hat indes festgestellt, dass das ADS-/ADHS - Syndrom, anders als früher geglaubt, nicht in allen Fällen mit dem Erreichen des Erwachsenenalters verschwindet. Daher schlucken heute auch immer mehr Erwachsene diese Pillen.
Besonders  Studenten und stark gestresste Arbeitnehmer in gehobenen Positionen nutzen täglich diese Hilfe. Wie durch ein Wunder entfällt nach dem Einwerfen der Pille schlagartig  jede innere und äußere Störung beim Lernen und bei der Arbeit. Konnte einen sonst jeder Nebengedanke, jedes Geräusch, selbst eine vorbeifliegende Stubenfliege oder eine entfernte leise Musik von der vor einem liegenden Aufgabe ablenken, sitzt man plötzlich wie unter einer Schutzglocke, die jede Störung ausfiltert. 
Besonders in der Vorbereitung  auf das Examen und im Examen selbst  bringt das den Nutzern des Stoffes objektiv gesehen große Vorteile. Es wird viel darüber gerätselt, ob es fair ist, mit einer solchen Psychodroge „seine Karten zu verbessern“.  Vor vierzig Jahren gab es dieselben Fragen, wenn Studenten laufend Katovit ®zur Belebung und Valium® zur Dämpfung ihrer Befindlichkeit einnahmen.
Je stärker ein Studium übrigens verschult ist, wie etwa bei der Betriebswirtschaftslehre und der Medizin, desto häufiger erledigen die Studenten das schlichte „Pauken“ unter dem Einfluss der Pillen. Bestimmt können sich auch Studenten der Rechtswissenschaft den von ihren Repetitoren blendend vorbereiteten kompletten Examensstoff in Rekordzeit  einverleiben.

Die biochemische Grundlage ist ein Amphetamin
1944 probierte die Ehefrau Margriet  (Spitzname „Rita“) des Ciba-Mitarbeiters Leandro Panazzon am eigenen Leibe das von ihm erstmals synthetisierte Amphetamin Methylphenidat,  einen engen Verwandten des Kokains, aus. Ihre Beobachtung, dass sie unter dem Einfluss dieser Chemikalie viel besser Tennis spielte, zeigte bereits deren psychogene Hauptwirkung , quasi selbsttätig die volle Konzentration einer übernommenen Aufgabe widmen zu können ohne sich um mögliche Ablenkungen scheren zu müssen.
Man weiß zwar noch nicht ganz sicher, woher die Störung der Konzentration und die Übererregbarkeit, die man heute unter dem Begriff ADS-/ADHS zusammenfasst, her kommt.
Die Gründe für die Wirksamkeit von Methylphenidat  aber sind bekannt. Wie Kokain und die ganze Klasse der Amphetamine arbeitet auch Methylphenidat am Rezeptor des sog. Glücksbotenstoffes Dopamin. Der Ablauf der Dinge ist bei der Einnahme von Kokain etwas anders, die Wirkungen sind aber in Teilen ähnlich. Kokain setzt an am Schlüssel- und Modulationshormon Serotonin, das als Impuls- und Suchtkontrollhormon der Ausschüttung des euphorisierenden Glückshormons Dopamin vorgeschaltet ist. Kokain sorgt dafür, dass praktisch alles zerebral verfügbare Serotonin auf einen Sitz ausgeschüttet wird. Das sorgt dann für eine mächtige dopaminerge Reaktion mit großer Euphorie und lebendigen Machtvorstellungen. Das Glück hält aber nicht lang. Lässt die Dopaminwirkung nach, führt die Depletion  mit dem Wohlfühlhormon Serotonin zum radikalen Absturz mit  Verstimmung, Depressionen und Ängsten.

Methylphenidat wirkt nicht auf das serotonerge System oder verstärkt daher nicht, wie auf körpereigene Weise unverzichtbar, über Serotonin die dopaminerge Reaktion. Es ist vielmehr ein sog. Wiederaufnahmehemmer, der  auch nicht auf eine vermehrte Ausschüttung von Dopamin setzt. Es sorgt vielmehr dafür, dass das einmal an der dopaminergen Informationsübergabe von Nervenzelle zu Nervenzelle am Synaptischen Spalt an den Rezeptoren auf Empfängerseite tätig gewordene Dopamin einfach am biochemischen Abbau oder der Rückgabe an die Axone der abgebenden Nervenzelle gehindert  wird.
Dort kann und muss es dann seine Botschaft wieder und wieder abgeben. Auch diese sekundäre Dopaminwirkung schafft eine Hebung des Selbstbewusstseins. Mitschüler wissen immer genau, wann einer von ihnen Ritalin nimmt und auch, wann er gerade wieder eine Pille eingeworfen hat. Dann nämlich ist er aggressiv und unwirsch. Prüfer in Examina haben ebenfalls ein Gespür für diese Dinge entwickelt. Wenn ein Proband ein wenig wie „unter Strom steht“, überschätzt er sich auch leicht und wird im Bewusstsein seiner Überlegenheit  leicht vorlaut. Aber verboten ist die Einnahme der Psychodroge nicht, der Prüfer behält daher seine Eindrücke für sich. Gegen diese Art von Doping gibt es noch keine Verbote. Befürworter verweisen darauf, dass Kaffee und Tee ja auch psychogene Wirkungen haben. Aber solch umfassende Wirkungen doch nicht!

Besondere Nebenwirkungen
Wenn entgegen den von der Natur entwickelten hormonellen Abläufen ein Botenstoff nach Abgabe seiner Botschaft im Dendriten der aufnehmenden Nervenzelle die Dopaminsequenzen  diese Botschaft immer und immer wieder abgeben muss, drohen ernste Gefahren für die empfindlichen Übertragungswege. Bei „Pschyrembel“ kann man schon seit langer Zeit nachlesen, dass dabei die Gefahr besteht, dass die Informationen sich verändern. Es droht danach aber auch die Gefahr einer Überreizung der Rezeptoren mit sogar letalen Folgen. Wenn dann wirklich mal ein Todesfall eintritt, wird der Wiederaufnahmehemmer  ganz  gewiss nicht auf dem Totenschein stehen. Wer seziert denn die Rezeptoren und legt sie unter das Elektronenmikroskop?!

Auf den Waschzetteln der Medikamente, die Methylphenidat enthalten, also neben Ritalin® im deutschsprachigen Raum auch Concerta®, Medikinet® und Equasym®,  finden sich Hinweise auf eine große  Zahl nachteiliger Nebenwirkungen wie Wachstumsstörungen, Appetithemmung, innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen Verdauungsstörungen, Herz- und Kreislaufprobleme, Verstimmungen und Suizidalität, um nur einige zu nennen. Die größten Häufigkeiten sollen aber nur bei 1:10 liegen. Es wird daher viele Nutzer von Methylphenidat geben, die ihre Konzentrationsschwäche mit dem Medikament  überwinden und kaum unter den genannten Nebenwirkungen leiden.

Eine stoffliche Abhängigkeit  im Sinne einer Sucht wie beim verwandten Kokain hat man glücklicherweise nicht festgestellt. Wohl aber kann eine psychische Abhängigkeit dadurch entstehen, dass es so bequem ist, sich immer wieder durch das Schlucken einer Pille den Anforderungen des Lebens gewachsen zeigen zu können.  So kann die Einnahme zum Dauerzustand werden.

Fatale unbeachtete psychische Wirkungen

Stellen Sie sich ein Kind vor, das nach Auffälligwerden etwa im 7. Lebensjahr die ganze Schulzeit hindurch und dann auch im Studium ständig den Weg über Ritalin geht, um erfolgreich lernen und arbeiten zu können. Zwei kleine Pillen am Tag, zudem mit Retardwirkung,  befreien den Menschen von der Anstrengung, sich gegen alle Zerstreuungen durchzusetzen und eine konzentrierte Arbeit leisten zu können. Wer sich ständig darauf verlassen kann, dass er durch das Medikament die richtige Einstellung zur Arbeit geschenkt bekommt, lernt es nicht, sich diese Fähigkeit zur Selbstbestimmung  zu erarbeiten. Heraus kommen erfolgreich einsetzbare und jederzeit zuschaltbare  „Arbeitsbienen“ mit unvollständiger Persönlichkeitsentwicklung.

Das Ausblenden der nicht zum unmittelbaren Arbeitsthema gehörenden Umstände führt zudem zu einem beklagenswerten Verlust der Kreativität. In der Literatur zu den Folgen des Nikotins,  das ja ebenso ein Amphetamin mit der Freisetzung von Serotonin und damit ausgelöster Verstärkung der dopaminergen Reaktion ist, wurden schon vor mehr als 20 Jahren eindrucksvolle Studien beschrieben, die den Mechanismus der  Konzentration und Ausblendung  deutlich gemacht haben. Rauchern wie Nichtrauchern wurde gesagt, sie sollten sich merken, wenn auf einer bis dahin dunklen Leinwand bestimmte genau genannte Gegenstände gezeigt wurden. Die Raucher schnitten dabei sehr viel besser ab als die Nichtraucher.
Wenn dann aber überraschend nach den anderen, nicht vorher genannten weiteren gezeigten Bildern gefragt wurde, konnten die Raucher kaum eines benennen und die Nichtraucher eine große Zahl von ihnen. Kein Zweifel, dass die Ritalinnutzer  es bei einem vergleichbaren Experiment den Rauchern gleich tun werden! Wer aber nur hoch fokussiert an vorgefassten Themen arbeitet und die Welt außerhalb seiner engen Pflichten nicht wahrnimmt, wird die Welt nicht in ihren Gesamtzusammenhängen begreifen.  „Heureka“- Erkenntnisse wird man von diesen Auftragsabarbeitern nicht erwarten können!

Sehr bedauerlich schließlich ist die emotionale Verarmung der regelmäßigen Konsumenten von Metylphenidat. Schon unter dem Einfluss der Droge sind sie auffallend widerborstig und intolerant. Das verstärkt  sich mit dem Absetzen. Diese Wirkung sollte damit zu tun haben, dass dieses Medikament nicht auf dem natürlichen Wege der Ausschüttung von Serotonin zur Lockung von Dopamin die Konzentration fördert. Mit seinem schönsten Namen wird der vielseitige Botenstoff Serotonin auch das „Sozialhormon“ genannt.
Empathie und Toleranz werden nämlich von der Verteilung von Serotonin auf seinen weiten Wegen in alle Hirnregionen begleitet. Soweit ich sehe, ist Serotonin die einzige materielle Substanz im menschlichen Körper, die man mit dem Gedanken des Altruismus in Verbindung bringen kann. Ähnliches, wenn auch auf bestimmte Partner begrenzt, findet sich nur beim Bindungshormon Oxytocitin,  das die Fixierung von Mutter und Kind und von Mann und Weib aufeinander begleitet. Die unter Methylphenidat stehenden Studenten hat man dagegen als „Zombies“  bezeichnet, die nur maschinengleich und ohne Phantasie lernen. Besonders nette Menschen sind sie jedenfalls nicht.

Alternativen sind Serotonin und die Bekämpfung von nitrosativem Stress

Ein Mangel an Serotonin scheint in der Entstehung von ADS-/ADHS  wie auch bei seiner Bekämpfung eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn die Weichen für eine stets ausreichende Versorgung mit dem Botenstoff Serotonin gestellt sind, gestattet sich unser zerebrales Hormonsystem eine Intensivierung der Redaktion des aktivierenden Glückshormons Dopamin.  Dies macht ein konzentriertes Arbeiten auch ohne Abschaltung des Rests der Welt durch Medikamente überflüssig. Wie der zentralnervöse Serotoninlevel indes auf einfache körpereigene  Weise durch den Verzehr von ein wenig nativer, d.h. gut vorbereiteter roher Pflanzenkost erhöht wird, habe ich mit meiner Entdeckung des von mir so genannten Aminas-Prinzips gezeigt, worüber ich schon früher berichtet habe.

 Viel spricht dafür, dass weitere wesentliche Gründe für die Entstehung von ADS-/ADHS  mitochondriale Fehlversorgungen (nitrosativer Stress)  sind, deren Schäden mit hohen Gaben von den bis dahin nicht angekommenen Mikronährstoffen erfolgreich bekämpft werden können.  Die Mitochondrien, die Trillionen Verbrennungskammern in unseren Billionen von Körperzellen, die Produzenten unserer Körperenergie ATP,  sind eine empfindliche Achillesferse  des menschlichen  biologischen Systems. Wenn wir sie nicht richtig verstehen und unsere Systeme nicht richtig bedienen, stehen wir bald vor einer Fülle zwangsläufig auftretender Störungen, zu denen nach meiner festen Überzeugung die meisten der psychischen und mentalen Störungen gehören.
Was nicht an Schäden durch Fehlversorgung aufkommt, entsteht umso leichter durch schädliche Einflüsse von außen. Dabei spielen psychische Stressoren sicherlich eine bedeutende Rolle. Hinzu kommen aber insbesondere Schädigungen durch Körpergifte wie insbesondere die Schwermetalle.  Vorreiter für diese neue funktionale Medizin, einen Ableger der mitochondrialen Medizin, ist Dr. Klaus-Jürgen Runow aus Wolfhagen („Wenn Gifte auf die Nerven gehen“).

 In Hampton, England, wirkt Dr. Jonathan Tommey in eigener Klinik sehr erfolgreich bei allen psychischen Störungen, selbst dem angeblich nicht heilbaren Autismus.  Gleiches tun Dr. Natasha Campbell-McBride in Cambridge, England, und Dr. Magdalena  Cubala-Kucharska in Piaseczno, Polen. In Deutschland arbeitet mit gleichem Erfolg  Dr. Gahlen in Oberhausen.

Ritalin®, so gezielt wirksam diese Droge auch ist, laboriert letztlich nur an den Symptomen der Störungen. Vor der Notwendigkeit, die einmal eingetretenen psychischen Störungen oder ihrer Symptome bekämpfen zu müssen, muss das Bemühen stehen, die Menschen von klein an konsequent an eine neue Ernährung heran zuführen, die ihnen zuverlässig alle gerade für die komplizierten Abläufe in den Mitochondrien erforderlichen Mikronährstoffe  zur  Verfügung zu stellen. Dies setzt unverzichtbar eine kluge Nutzung des großen inneren Wertes roher enzymreicher Pflanzenkost  voraus, worüber ich auch bereits früher berichtet habe. Dazu kommt, dass wir nicht weiter den großen Gefahren ausgesetzt werden dürfen, die altbekannte (Asbest, Blei, Quecksilber, Aluminium) und immer wieder neue Stoffe (Medikamente, Bisphenol A) in unserer Umgebung, die uns körperfremd sind. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen